137 Bildungsbericht Schweiz | 2010 Gymnasium Equity Allerdings lässt sich über all diese Möglichkeiten nur spekulieren, da die vor- handenen Analysen keine Antwort auf die Fragen geben, ob nun eine Gym- nasiastin mit Schwerpunkt PPP deshalb schlechter in Mathematik ist, weil sie PPP gewählt hat, oder ob sie aufgrund ihrer Fähigkeiten und Neigungen auch in allen anderen Schwerpunkten die gleiche Leistung in Mathematik gezeigt hätte. Es lässt sich auch nicht beantworten, ob diese Minderleistung in Mathematik bewusst in Kauf genommen wurde, weil man Mathematik im gewählten Studienfach an der Universität nicht braucht, oder ob die Stu- dienwahl aufgrund der antizipierten Minderleistung in Mathematik einge- schränkt wurde. Schliesslich lässt sich auch nicht beantworten, ob die Min- derleistung überhaupt zu Einschränkungen auf der Stufe Universität führt, bspw. durch schlechtere Studienergebnisse, oder ob die Unterschiede zu ge- ringfügig sind, um derartige Auswirkungen zu haben. Weiter zeigen sich starke Geschlechterunterschiede im Vergleich von Test- leistungen, Erfahrungsnoten und Maturitätsnoten. Die Testleistungen fallen speziell relativ zu den Erfahrungsnoten immer deutlich zu Ungunsten der Schülerinnen aus ( Grafik 91). Ob diese Differenzen sich mit einem unter- schiedlichen Leistungsmuster während der Schulzeit erklären lässt (Erfah- rungsnoten), welches nicht unbedingt das Leistungspotenzial widerspiegelt, oder ob Schülerinnen bei der Notenvergabe relativ zu ihren Leistungen be- vorteilt werden, lässt sich ohne vertiefte Analysen nicht eindeutig feststellen. Trotzdem weisen die Geschlechterunterschiede auf interessante Muster der Ungleichheit hin. Das Geschlecht hat auch auf die Wahl des Schwerpunktfachs einen Einfluss. Die Auswertung der Befragung von Maturandinnen und Maturanden nach ihrer Studienabsicht zeigt aber, dass nicht alle Schwerpunktprofile in glei- cher Weise das Studienfach determinieren. Zudem lassen sich Unterschie- de zwischen den Geschlechtern ausmachen. Wer einen Schwerpunkt ge- wählt hat, der über Jahre mehrheitlich von Frauen (Sprachen) oder Männern (Mathematik) besucht wird, wechselt weniger häufig die Fachrichtung beim Übergang ins Studium. Häufiger sind Wechsel, wenn ein Schwerpunktfach gewählt wurde, das von unterdurchschnittlich vielen Personen des gleichen Geschlechts besucht wird ( Grafik 92) (Bieri Buschor, Denzler & Keck 2008, BFS 2008a). Determiniert das Schwerpunktfach das Studienfach? Die deutlich unterschiedlichen EVAMAR-II-Testleistungen in Mathematik, Biologie und Sprache je nach Schwerpunktfächern stellen zwar die allge- meine Studierfähigkeit nach einer Maturität in Frage, müssen aber noch kein Indiz einer Benachteiligung sein. Wählt eine Jugendliche bspw. den Schwer- punkt Mathematik und Naturwissenschaften, weil sie später Chemie stu- dieren will, dann würde sich diese Gymnasiastin wohl an weniger guten Testleistungen in Sprache wenig stören. Ja, vielleicht ist es sogar so, dass die weniger guten Testleistungen in EVAMAR II sich vollständig durch Selek- tionsprozesse in die einzelnen Schwerpunkte auf der Basis von Fähigkeiten, Neigungen und Aspirationen erklären lassen. Dies würde zudem bedeuten, dass die Fähigkeiten in allen Profilen entsprechend den vorhandenen Be- gabungen gleich gut gefördert werden und die Leistungen auch nicht an- 91 Testleistung, Erfahrungs- und Maturitätsnoten, Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern Daten: Eberle, Gehrer, Jaggi et al. 2008 Berechnungen: SKBF , , , , , , , , , , SprachenMathematikBiologie > = Frauen erbringen bessere Resultate < = Männer erbringen bessere Resultate Erfahrungsnote Maturitätsnote Testleistung EVAMAR II Lesebeispiel Bei einem Wert von 1 erbringen Schülerinnen und Schüler die gleichen Leistungen. Liegt der Wert unter 1, sind die Schüler besser, liegt er über 1, sind die Schülerinnen besser. Sind Schülerin- nen in einem Fach generell besser als Schüler (oder umgekehrt), dann liegen alle drei Werte über 1 (Sprachen) oder unter 1 (Mathematik). Am Beispiel der Biologie zeigt sich der Unterschied folgendermassen: Schülerinnen und Schüler haben im Durchschnitt die gleiche Maturitätsnote (ca. Wert 1) aber Schülerinnen haben bessere Erfahrungsnoten als Schüler. Beim EVAMAR-II- Test hingegen war die Testleistung der Schülerin- nen schlechter als jene der Schüler.