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SKBF-CSRE Bildungsbericht 2010 DE

skbf | csre Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung 276 Der private Nutzen der Bildung Kumulative Effekte tet, die sich später in Form höherer Produktivität und somit auch höherer Löhne auszahlt. Eine alternative Erklärung ist aber jene, dass die Lohnvortei- le ein Ergebnis der Selektionsfunktion des Bildungssystems seien. Dadurch, dass begabtere Personen länger im Bildungswesen verbleiben und weniger begabte Personen einen Bildungsabschluss nicht erhalten, ist ein Bildungs- abschluss auch ein Signal für die wahre Begabung und somit für die Produk- tivität einer Person (s. Spence 1973). Dies bedeutet, dass die Arbeitgeber einer Person mit einem höheren formalen Bildungsabschluss eher einen hohen Lohn geben, unabhängig davon, ob das an den Schulen und Hochschulen gelernte Wissen für sie relevant ist oder nicht. Während es für die durch den höheren Lohn begünstigte Person egal sein dürfte, weshalb sie in den Ge- nuss des höheren Lohnes kommt, ist die Unterscheidung für die Beurteilung der Aufgaben des Bildungswesens zentral. Im ersten Fall (Humankapital- theorie) wären die Vermittlung von Wissen und Kompetenzen die zentra- le Aufgabe des Bildungswesens und im zweiten Fall würde es vornehmlich darum gehen, begabtere von weniger begabten Personen zu unterscheiden (Selektionsaufgabe als Signale an den Arbeitsmarkt). In der Forschungslite- ratur kann man zu dieser Frage kein abschliessendes Urteil finden; am ehes- ten lässt sich der Forschungsstand so zusammenfassen, dass dem Bildungs- wesen beide Funktionen gleichzeitig zukommen. Nicht nur die Beobachtung, dass beschulte Personen mit zunehmender Schuldauer kompetenter werden, sondern auch jene, dass unabhängig von der schulischen Bildung begabtere Personen eher länger im Bildungswesen verbleiben und somit mit grösserer Wahrscheinlichkeit höhere Bildungsab- schlüsse erzielen, weist auf eine weitere und zentrale Problematik bei der Be- urteilung von Bildungsrenditen hin. Haben begabtere Personen eher höhere Bildungsabschlüsse, dann ist nicht klar, ob diese Personen nun höhere Ein- kommen erzielen, weil sie den höheren Bildungsabschluss vorweisen kön- nen, oder eben weil sie begabter sind. Solange man diese beiden Erklärungs- möglichkeiten nicht auseinanderhalten kann, sind sowohl bildungswillige Individuen wie auch der Staat in einem Dilemma bei der Beurteilung der beobachteten Bildungsrenditen. Die bildungswilligen Personen können bei hohen Bildungsrenditen nicht automatisch davon ausgehen, dass sie selbst ihr Einkommen ebenso steigern können, wenn sie nicht über die wirklich ausschlaggebenden Fähigkeiten verfügen. Umgekehrt ist es sogar so, dass, falls sie tatsächlich über Fähigkeiten verfügen, die vom Arbeitsmarkt hoch geschätzt werden, sich dieselben Einkommen auch ohne «Umweg» über eine längere Ausbildung erzielen liessen. Der Staat, d.h. die Bildungspolitik weiss nicht, ob die Bildungsrenditen nun eine Aussage über die Effektivität des Bildungswesens erlauben (was der Fall wäre, wenn die Rendite die Fol- ge der in der Ausbildungszeit erworbenen Kompetenzen wäre) oder eben nicht, weil sie das Ergebnis einer Selbstselektion von begabteren Personen darstellen und somit mit der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens wenig zu tun haben. Diese wichtigen Fragen machen es verständlich, warum die Wissen- schaft seit mehr als vier Jahrzehnten mit ausgeklügelten statistischen Me- thoden und Untersuchungsdesigns versucht, den «wahren» Renditen auf die Spur zu kommen – ohne bis heute zu einem abschliessenden Urteil zu gelangen. Fasst man den heutigen Stand der Erkenntnis verkürzt zusam- men, dann muss man davon ausgehen, dass bis zu 50% der beobachteten Bildungsrenditen nicht das Ergebnis der Ausbildung, sondern der Selektion