33 Bildungsbericht Schweiz | 2010 Definitionen Equity oder Ausbildungsniveaus.2 Ungleiche Verteilungen zwischen sozialen Grup- pen müssen aber nicht in jedem Fall eine Verletzung des Equity-Prinzips darstellen, da sie grundsätzlich auch auf rational gefällten Entscheidungen gründen – und somit unabhängig von Stereotypen, verzerrten Erwartungen oder Diskriminierungen sein können. Je nach Auffassung des Gleichheits- prinzips stellen Ungleichheiten in den eingeschlagenen Bildungswegen zu- dem keine Verletzung der Equity dar, wenn diese mit ungleichen Leistungen erklärt werden können. Demgegenüber sind ungleiche Chancenverhältnisse bei gleichen Leistungen ein starkes Indiz für eine Verletzung der Chancenge- rechtigkeit – unabhängig vom jeweiligen Gerechtigkeitsverständnis. Effektivität, Effizienz und Equity Wird Equity als ein Ziel des Bildungssystems festgelegt, ist die Erreichung dieses Ziels auch ein Mass für die Effektivität. Ein effektives System zeichnet sich somit u.a. auch durch einen hohen Grad an Chancengerechtigkeit aus. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Ziele der Erhöhung der durchschnittlichen Leistung und der Verringerung der sozialen Abhängig- keit der Leistung sich gegenseitig konkurrieren oder miteinander vereinbar sind. Die internationale Forschungsliteratur legt nahe, dass ein hohes Mass an Chancengerechtigkeit bei gleichzeitiger hoher Leistung durchaus möglich ist (vgl. die Übersicht in Wössmann 2008b). Auf das Ziel der Chancengerechtigkeit kann sich auch die Frage nach der Effizienz beziehen. Um beurteilen zu können, ob das Ziel in effizienter Art und Weise angegangen wird, müssten jedoch in differenzierten Analysen die Relationen von Input und Output (hier Equity) gemessen werden. Ab- gesehen davon, dass dies eine komplexe Aufgabe ist, stellt sich das zusätzli- che Problem, dass nicht klar definiert ist, welches Gerechtigkeitsverständnis dem Ziel der Equity zugrunde gelegt wird und welche Massnahmen infol- gedessen Priorität erhalten. Die interne Effizienz ( Effizienz, Seite 27) kann bei der Erreichung des Equity-Zieles somit nicht einfach bestimmt werden. Equity ist aber nicht lediglich als Ziel des Bildungssystems zu verstehen. Vielmehr kann Equity auch eine Voraussetzung für das effiziente Erreichen anderer Ziele wie zum Beispiel des sozialen Zusammenhalts oder des wirt- schaftlichen Wachstums ( Kapitel Kumulative Effekte, Seite 271) sein. Equity als mehrdimensionale Problematik In diesem Bericht wird Equity in Bezug auf drei verschiedene soziale Kri- terien analysiert: die soziale Herkunft, den Migrationshintergrund und das Geschlecht.3 Während die sozialen Gruppen beim Geschlecht leicht vonein- ander abgegrenzt werden können, gestaltet sich die Unterscheidung bei den anderen beiden Kriterien aufgrund der fehlenden Trennschärfe komplizier- ter. So muss beim Kriterium der sozialen Herkunft eine Aufteilung in zwei 2 Hinweise für Verletzungen des Gerechtigkeitsprinzips können aber auch die auf die durch- laufenen Bildungsgänge/-stufen zurückzuführenden Unterschiede in den Arbeitsmarkt- chancen (z.B. Risiko der Arbeitslosigkeit, Verdienstmöglichkeiten usw.) sowie die Leistun- gen in den Bildungsgängen/-stufen bieten. 3 Siehe dazu ausführlicher Coradi Vellacott und Wolter (2005b). Bildungsdisparitäten bezeichnen Bildungsunterschiede zwischen verschie- denen sozialen Gruppen und stellen das Ergebnis von primären und sekundären Effekten dar (vgl. Boudon 1974). Unter dem primären Effekt werden die Sozialisationsbedingungen im Eltern- haus verstanden, welche bei gegebenen institutionellen (schulischen) Bedingun- gen zu unterschiedlichen Schulleistungen (Performanz) führen. Die sekundären Effekte bezeichnen die Sozialisations- bedingungen, die bei gegebener Perfor- manz die Wahl von Bildungswegen beeinflussen.